24. Februar 2025
Nietzsches Basler Jahrzehnt: Aufbrüche, Umbrüche, Abbrüche
Beginn 19:00
Die zwei Jahrzehnte Nietzsches geistiger Schaffenszeit nach seinem Studium lassen sich in die Dekade der Basler Professur (1869-1879) für klassische Philologie und die daran anschließende Dekade einer freien, aber unsteten philosophischen Wanderexistenz (1879-1889) unterscheiden. Seitdem und mit diesem Befund verknüpft sind in werkbiographischer Hinsicht immer wieder Philologie gegen Philosophie, die akademische gegen die freigeistige Lebensform sowie die vergleichsweise liberale, aber auch provinzielle Welt Basels gegen jene zahlreichen Schicksalsorte Nietzsches ausgespielt worden, denen wir gewisse Einsichten oder gar ganze Werke des Philosophen zuschreiben. Nietzsche selbst, so scheint es, hat die Legende einer zähen, aber schlussendlich überlebensnotwendigen Selbstbefreiung zur Philosophie aus den krank machenden Basler Verhältnissen vor allem in den letzen Schriften und manchen Briefen zumindest mit vorbereitet. Ein genauerer Blick sowohl auf die Biographie als auch auf die geistigen Zeugnisse und Selbstzeugnisse Nietzsches spricht freilich eine andere Sprache. Die zehn Basler Jahre sind nicht nur von enormer schriftstellerischer Produktivität gekennzeichnet, sie können zugleich auch als die eigentlich fundierende Phase des Stilisten, Philosophen und Europäers Nietzsche angesehen werden. Gleichzeitig und mit großer Energie wirkt der junge Professor von Beginn in verschiedene Richtungen und setzt dabei seinen Leitspruch „Werde, der Du bist“ um: Als Lehrer für griechische Sprache und Literatur wirkt er an der Universität und im Paedagogium, mit der Geburt der Tragödie will er sowohl einen Beitrag zur Erneuerung seines Fachs als auch der deutschen Kultur im Ganzen leisten, als Verfasser unzeitgemäßer Schriften sucht er den Weg in die Öffentlichkeit, während er sich bei alledem autodidaktisch mehr und mehr in die Philosophie hineinarbeitet. Der Vortrag möchte diese Zusammenhänge beleuchten und dabei die vielleicht unspektakuläre, dafür aber nachhaltige Bedeutung des Basler Jahrzehnts für Nietzsches Denken herausstellen.